Der Fliegenpilz
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Den bekannten „magischen Fliegenpilz” kennen wir vor allem als Glückspilz. Ob im Schwarzwald unter dunklen Fichten, im Sandsteingebirge zwischen Felsen und Kiefern oder im nördlichen Birkenwäldchen – er zaubert ein leuchtendes Rot in das Landschaftsbild und darf nicht fehlen.
Leider wissen die meisten Menschen nicht genau Bescheid über den Fliegenpilz und stufen ihn grundsätzlich als tödlich giftig ein. Mittlerweile erfährt er immer mehr Interesse seitens der Forschung, die die Magic Mushrooms als Medizin beleuchtet, und aber auch seitens der Volksheilkunde, die ihre Anwendung aus der traditionellen Verwendung neu entdeckt.
Wir wollen hier einen kleinen Einblick in unsere Beziehung zu Amanita Muscaria geben und wie wir ihn nutzen.
Die Wesenheit
Meisterpflanzen und -wesenheiten
Magische Praktiken und Transformationsprozesse sind seit jeher verbunden mit Rausch und Extase. Sei es durch Fasten, Tanzen, Substanzen oder anderes … Ziel ist es, ein Fenster in eine andere Welt zu öffnen. Oft geht eine Bewusstseinsveränderung damit einher. Oder anders gesagt: eine gesteigerte Wahrnehmung auf ungewohnten Kanälen. Es gibt verschiedene Techniken, dies zu erreichen und es ist auch ohne Substanzen möglich. Dennoch können Pflanzen oder Fungi mit Alkaloiden (Stoffe, die das zentrale Nervensystem beeinflussen) eine erhebliche Wirkungen haben, die das begünstigen.
Auf dieser Ebene, wo wir von dem Pflanzen- oder Pilzgeist sprechen, haben die Gruppe der Alkaloidpflanzen meist den Begriff Meisterpflanze oder-wesenheit.
Aus der Perspektive, dass alles beseelt ist, haben Meisterpflanzen ein mächtiges Eigenleben und können uns bei respektlosen Umgang in große Schwierigkeiten bringen. Wenn wir widerum gut in Verbindung sind, nachfragen, was es braucht und uns demütig diesen Wesenheiten nähern, dann können wir groß beschenkt werden.
Wenn unser Zentrales Nervensystem (ZNS) diesen Stoffen ausgesetzt ist, docken diese an Rezeptoren im Gehirn an und können dort auch – je nach Struktur – dauerhaft verhaften. Dieses Phänomen wird oft „auf der Droge hängenbleiben“ genannt. Diese Gefahr gilt vor allem bei den Nachtschattengewächsen, jedoch nicht beim Fliegenpilz. Nach Aussagen verschiedener indigener Gruppen, die solche mächtigen Pflanzen verwenden, hat das „Hängenbleiben“ mit der falschen geistigen Herangehenweise an den Geist, der der Pflanze innewohnt, zu tun.
Ein Beispiel aus einer anderen, noch verwurzelten Kultur und dem dortigen Umgang mit Meisterwesenheiten, ist der Peyote-Kaktus.
Dieser ist in der mexikanischen Ethnie der Huichol hochheilig und mächtig, sodass es zur Einnahme ein vollständiges Ritual mit klarer Reihenfolge, Zeitpunkt und Ort bedarf, um in Respekt zum mächtigen Geist, der dem Kaktus innewohnt, auf Augenhöhe begegnen zu können. Die Huichol besitzen lang überlieferte Lieder, Kenntnisse und Geschichten, die sie dazu befähigt, im Gleichgewicht mit dem Wesen zu sein, es zu lesen und mit ihm zu kommunizieren.
Auch hierzulande haben wir weitere alkaloidhaltige Pflanzen, deren ritueller Gebrauch jedoch verloren ging. So heißt es, dass Bier auch mit Bilsenkraut gebraut wurde, was noch im heutigen Namen Pilsener erhalten ist. Auch Tollkirsche und Stechapfel fanden Verwendung, die Teil von überlieferten Rezepturen sogenannter Hexensalben waren.
Hier sind wir aufgefordert, unsere Herangehensweise in Verbindung mit den Meisterwesen zu transformieren, denn nur allzuleicht fallen wir in die gewohnte Konsumhaltung. Die Lieder des Fliegenpilzes wollen wieder oder neu erspürt werden, sei es auf der Trommel, aus der Stimme oder dem Tanz heraus. Und die entsprechenden Rituale dürfen sich daraus neu weben.
Haltung
Wenn wir soweit sind und uns dafür entscheiden, einen dieser Meisterwesenheiten, also in diesem Falle den Fruchtkörper des Fliegenpilzes, zu sammeln, sollten wir das Vorhaben mit einen gewissen Respekt angehen.
Meine Magisch-wirkende Kollegen zum Beispiel berichteten dieses Jahr keine Fliegenpilze gesammelt zu haben, weil sie gefragt haben und die Antwort kam: dieses Jahr für sie nicht.
Ich finde es sowieso gut zu fragen, bevor du dich zum Sammeln aufmachst:
Was ist meine Intention?
wo möchte ich damit hin?
was brauche ich?
was ist der gute Zeitpunkt?
wieviel überhaupt?
kann ich sie angemessen verarbeiten und verwenden?
was braucht es um im Gleichgewicht zu sein?
was kann ich zurrückgeben?
Wir wollen zu verstehen geben, das in diesen sogenannten Meisterpflanzen/Meisterwesen besondere Kräfte stecken. Sie sind wirkmächtig und bedingen noch ein Stück mehr größeren Respekt in Umgang, Haltung und Herangehensweise. Wenn wir eure Toröffner sind – durch einen Workshop oder einen Kurs –, bitten wir euch inständig, dies zu achten. Amanita Muscaria ist nicht nur ein großes Geschenk, sondern verweist auch auf unsere Wurzeln, einen Teil jener verloren gegangener Kultur und Rituale unserer Ahnen und wie sie damit umgegangen sind.
Im Grundlagenkurs zum Fliegenpilz teilen wir unser Wissen um Studienlage, Aufbereitung, medizinische Wirkweise und allgemeine Erfahrungen mit Amanita Muscaria. Seine Verwendung bedarf in unseren Augen einer gründlichen Einführung oder Eigenstudium.
Um die Kraft des Fliegenpilzes noch besser fassen zu können, noch ein Blick in Mythologie und Erfahrungsberichte:
nordische Mythologie
Es sich hier ein wenig auszuholen … Unsere Geschichte beginnt in Asgard, der Heimat der Asen.
Einst bot ein Baumeister der Riesen den Asen an, einen riesigen Schutzwall um Asgard zu Bauen und er forderte die Sonne, den Mond und Freya als Lohn dafür, sollte das noch vor dem Winter gelingen.
Er hatte jedoch die Hilfe eines außerordentlich starken Pferdes, Svadilfari, das riesige Steine mühelos zur Baustelle schaffte, so dass der Wall schneller in die Höhewuchs, als gedacht. Aus Angst, Freya, die Sonne und den Mond zu verlieren, beschlossen die Asen, Loki solle etwas unternehmen – der (wie immer) irgendwie in die Sache verwickelt war.
Loki ist um Tricks nicht verlegen und verwandelte sich in eine schöne Stute, um den Hengst Svadilfari von seiner Aufgabe abzulenken, so dass der Wall nicht fertig wurde und Freya und die Himmelskörper gerettet waren.
Aus der Geschichte ging also der Wall um Asgard hervor, jedoch auch das achtbeinige Pferd Sleipnir, das Kind von Svadilfari und Loki in Stutengestalt. Damit ist Sleipnir Teil von Lokis Kinderschar mit Hel, Fenriswolf und Midgardschlange, die dereinst mal die Götterdämmerung einleuten werden.
In der Edda wird überliefert, Sleipnir sei das beste Pferd bei den Göttern und den Menschen. Mit seinen acht Beinen gleitet es so geschwind über den Himmel, es kann sogar über die Grenze zwischen der Welt der Lebenden und Toten springen.
Loki gab Sleipnir als Geschenk an Odin, der nun damit in den Rauhnächten auf der Wilden Jagd ist, zusammen mit dem Heer der Toten im Gefolge von Frigg. So braust er im Wintersturm, scheucht die Eisriesen über die Welt und treibt Sleipnir an, bis diesem der Schaum vor dem Mund steht.
Und von eben jenem Schaum soll einst etwas auf den Boden unserer Welt getropft sein und aus diesem wuchsen dann die ersten Fliegenpilze. Dieses Schaumige, Andersweltliche ist noch immer gut sichtbar, wenn die kleinen Fliegenpilze noch in ihrem Velum stecken, ganz von weißem zarten Flaum bedeckt.
Der Fliegenpiz stammt also direkt von der Urkraft der Riesen ab, die die zerstörende Kraft des Kosmos symbolisiert. Und gleichzeitig ist er mit der Kraft der Wilden Jagd verbunden – im Dienste der ordnenden Gottheiten, die in der dunklen Zeit zwischen den Jahren von der Anderswelt in die unsere kommt. In dieser Zeit wird der Schleier zwischen den Welten ganz zart verstanden und der Fliegenpilz mag mit seiner Kraft dazu beitragen, dass wir leichter in Kontakt mit unseren Ahnen und Urkräften kommen können – im chaotischen wie ordnenden Sinne.
„Der Pilz pflegt sich selbst in meine Ahnenarbeit ein und bildet ein geistiges Mycelnetzwerk für lokale spirituelle Aspekte.“
~ Raphael
Auch bei den Native Americans gab es Stämme, die mit dem Fliegenpilz gehen, dem Miskwedo. Tonaufnahmen eines Vortrags darüber können hier angehört werden (auf english).
Auf der Schwelle
Der Fliegenpilz ist der, der zwischen den Welten steht: das Schön-Magische, Kräftige und gleichzeitig das offensichtlich Gefährliche, sichtbar in seiner Signalfarbe.
Von 2 unterschiedlichen Menschen weiß Raphael, dass sie während einer schwierigen Lebensphase dem Tode nahe waren, kurz vor dem Suizid, nochmal in den Wald gingen. Eventuell aus dem Impuls, eine letzte Begegnung mit dem Leben zu haben, einen letzten Atemzug aus dem Vermächtnis des hohen Waldes.
Dort tauchte dann der Fliegenpilz auf und ist da, in voller Ergebenheit präsent, der die Hand reicht und sagt: „Hier bin ich, komplett da für dich.“
Nach diesen Erfahrungen geht es diesen Menschen besser, eine Person geht schon jahrelang mit dem Fliegenpilz. Sie konnte vollständig ihre Benzodiazepine absetzen und substituiert regelmäßig ihre Angststörung mit Fliegenpilzpräparaten.
Zyklusbewusstsein
In vielen Tripberichten zu Amanit Muscaria – also Erzählungen von Menschen, die eine Menge verzehrt haben, mit der sie stabil in der Anderswelt stehen oder sich ganz und gar dem Meisterpilz anheim geben – ist die Rede von Loops. Also sogenannte Zeitschleifen, in denen sich eindrückliche Ereignisse immer und immer wiederholen. Zum Beispiel der eben erlebte Augenblick, der die Tendenz hat, genau so wieder zu passieren, oder wie das Leben immer neu entsteht, durchlebt wird und stirbt und manchen wird so ein Blick in die Unendlichkeit und die Natur des Nicht-Seins gewährt.
Die zyklische Natur spiegelt sich auch in den 2 Hauptkomponenten des Pilzes: die eine wirkt aktivierend, die andere sedierend, wobei das Hauptaugenmerk für die meisten Anwender*innen auf der Entspannung des vegetativen Nervensystems liegt, eine Qualität, die für viele Menschen heutzutage von Bedeutung ist, da wir modernen Menschen oft gar nicht mehr in den tiefen, erholsamen und heilsamen Schlaf kommen.
Der Fliegenpilz fordert auf, beides im gesunden Maße zu tun: Machen und Träumen, Tun und Entfalten lassen, in der Welt und mit sich sein.
Unsere Wege
Unsere Erfahrungen
Samhain
An besonderem Tage an Samhaim, traf ich zum ersten Mal meinen guten Freund und Kollegen, nach einem langen wilden hexischen Wochenende mit Chaosmagiern, war die Stille eingetroffen, der Tag der in die Nacht floss, um in Begegnung mit den Ahn*innen zu gehen. Tief im Wald, 3 Freunde vor einer Höhle im Elbsandsteingebirge mit kleinem Feuer, flossen in Stille und leisen Summen in die Anderswelt und in die Magie der Nacht. Da wart der Fliegenpilz unser gemeinsamer Weggefährte, bis jetzt treu und freundlich zugewandt. ~ Raphael
Mela und ich haben gute Erfahrungen, eine wohlwollende Einstellung zu diesem Meisterwesen und verwenden ihn für uns therapeutisch wie anregend im Alltag, um:
uns mehr mit unseren Träumen zu verbinden
besser und erholsamer zu schlafen
die Resilienz gegenüber Stress zu erweitern (Adaptogen)
mehr Energie über den Tag zu bekommen
die Sinne zu schärfen
sich dem kleinen Volk zu nähern
„Amanita hat das Potenzial, uns mit unserer Wildnatur zu verbinden und die eigene Urkraft zu spüren.“
~ Mela
Feuertanz
Meine erste Erfahrung mit Amanita war bei einem kleinen Festival. Die Tage waren geprägt von Prozessen und dem Genuss in der Natur und in Gemeinschaft zu sein. Der Höhepunkt war die Nacht mit Tanz um ein riesiges Feuer und treibender Musik. Dort bekam ich ein (wirklich winziges) Stück Fliegenpilz, das ich lange im Mund aufbewahrte. Ich durfte dadurch eine milde Berserker-Energie spüren, befeuert durch die mitreißende Szenerie: Hier bin ich und in mir wohnt eine wilde Kraft, eine alte Magie, die weit vor meinem Leben ihren Ursprung hat! Dies war der Beginn meiner tiefergehenden Beschäftigung mit Ritualen und wie sie und auch die Natur auf meinem Heilungsweg wirken. ~ Mela
Die Fliegenpilz-Tinkturen und auch ein besonders hübsch getrockneter Hut sind immer Teil unseres Hausaltars. Auch, um uns im täglichen Gebrauch daran zu erinnern, dass Medizin auch die Ebene der Wesenheit mitbringt.
Räuchermischung Eihwaz
Wenn wir Räuchern, ist dies eine weniger intensive Herangehensweise, als eine Substanz einzunehmen. Die kleine Menge Fliegenpilz in der Räuchermischung Eihwaz mit dem würzigen und aromatischen Duft eine gute Möglichkeit den „Geist“ des Fliegenpilz auf einer feinstofflichen Ebene kennen zu lernen. Wenn du dennoch großen Respekt vor dem Spirit hast, kannst du auch bei geöffnetem Fenster räuchern und darauf achten, den Rauch nicht direkt einzuatmen.
Wir nutzen diese Mischung, um zu Neujahr zu Divinieren. Wir werfen Steine oder ziehen Runen, mit Fragen zu den verschiedenen Lebensbereichen: wie sind sie miteinander verwoben? Wo bestehen Chancen oder worauf muss ich Acht geben?
Dabei hilft nicht nur der Fliegenpilz im Kontakt zur Anderswelt, auch das Sandelholz beruhigt das Denken während die Schafgarbe den Blick schärft und die Haselnuss beim Wünscheerfüllen hilft.
„Die Kombination mit dem würzig-freundlichen Fliegenpilz Aroma nimmt mich mit dem tiefschwarzen Aloe-Harz in eine mystische Sphäre, wo das Lesen der Zeichen einfacher ist und sie sich mir offenbaren.“
~ Raphael
Wir hoffen, wir konnten dir den Fliegenpilz in seiner Bandbreite näher bringen. Bei Fragen kannst du uns gerne eine Mail dazu schreiben. Und wenn du ihn das nächste Mal auf einem Herbstspaziergang leuchten siehst, erinnerst du dich vielleicht auch an seine vielen Facetten.